Wir leben in einer Zeit der Gleichzeitigkeiten. Einerseits scheint die
Austeritätspolitik wieder in Mode zu kommen, doch legte sie ihr Technokratengewand
zugunsten einer brachialen Kettensägeninszenierung ab. Andererseits hat die Partei
Die Linke, obwohl jahrelang totgesagt, ein beachtliches Ergebnis bei der
Bundestagswahl eingefahren, stellt wieder eine Fraktion und kann politische Erfolge,
wie jüngst den gewonnenen Bürgerentscheid zum Wohnraumerhalt in Erlangen, einfahren.
Das alles lässt erahnen, dass trotz eines Rechtsrucks nach wie vor großes Interesse
an einer Alternative gegeben ist, die solidarisch ist und nicht nach unten tritt.
Auch, wenn das alles ein starkes Fundament für eine mögliche sozialistische
Massenbewegung ist, sollten wir uns darauf nicht ausruhen. Nach wie vor fehlt es der
politischen Linken an Verankerung vor Ort und in den Betrieben. Nach wie vor
verharren Teile der Linken in Selbstbeschäftigung, Szeneschranken und
Stellvertreter:innenpolitik. Nach wie vor gibt es viel Handlungsbedarf, in Partei und
Jugendverband, doch wir gehen diesen aktiv an.
Die Linksjugend [’solid] Bayern hat letztes Jahr beschlossen, den Leitantrag der
Linken Bayern zu unterstützen.i Der Fokus auf „Mieten runter, Löhne rauf!“ ist eine
notwendige Zuspitzung – nicht nur als Slogan, sondern als politische Strategie, um
wieder Massenpolitik zu machen: für die, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, für
die, die für Niedriglohn Bus fahren oder in der Pflege schuften, für die, deren Löhne
nicht mehr mit den Preisen mithalten.
Doch klar ist auch: Wenn die Linke in Bayern wieder relevant werden will, muss sich
nicht nur die Partei, sondern auch ihr Jugendverband neu ausrichten.
Politische Bildung und Ermächtigung als Schlüssel zur
Verbandsentwicklung
Die Linksjugend [’solid] Bayern zählt mittlerweile fast 1000 aktive Mitglieder – mehr
als die Hälfte aller Parteimitglieder in Bayern sind unter 35. Dieses Wachstum ist
erfreulich, bringt aber Herausforderungen mit sich. In vielen Basisgruppen fehlen
stabile Strukturen, klare Rollen und politische Klarheit.
Unsere primäre Aufgabe für 2025 ist daher, die vielen neuen Genoss:innen einzubinden
und zu befähigen, emanzipatorische politische Arbeit zu leisten, Strukturen
aufzubauen und zu erhalten, sich an Debatten inner- und außerhalb des Verbands zu
beteiligen und kritisch zu denken.
Der Landesverband wird zusätzlich zu den Bildungsangeboten der Bundesebene das
Bildungsangebot auf Landesebene ausbauen und seinen Basisgruppen Unterstützung bei
der Durchführung eigener Schulungsformate anbieten. Dabei werden wir eine
Fokussierung auf folgende Themen vornehmen, die für Sozialist:innen, vor allem heute,
essenziell sind:
Marxismus
Kapitalismus- und Klassenkritik
Materialistischer Feminismus und Skillshareveranstaltungen für Frauen und
Nichtbinäre
Materialistische Staatstheorie und -kritik
Antimilitarismus mit besonderem Fokus auf die kommende Wehrpflicht und
Kriegstüchtigkeit
Um möglichst alle Genoss:innen da abholen zu können, wo sie gerade stehen, werden wir
verschiedene Bildungsformate mit diversen Ansprüchen an Sprach- und Vorkenntnisse,
die vorher kommuniziert werden, anbieten, denn weder dem Verband noch den
Genoss:innen ist geholfen, wenn sie sich aufgrund bestehender Wissenshierarchien
nicht an politischer Arbeit oder an Debatten beteiligen können.
Alltagsverankerung: Solidarität in die Praxis bringen
Unsere Politik darf nicht nur auf dem Wahlzettel stattfinden. Wir müssen erlebbar
sein: auf der Straße, an der Schule, am Wohnheim, im Betrieb, im vorpolitischen Raum.
Deshalb bauen wir unsere solidarische Praxis an der Basis aus und engagieren uns
direkt vor Ort und schaffen dort Räume für Begegnung und Austausch.
Unsere solidarische Praxis zeigt sich zudem in direkter Hilfe. Wir unterstützen
Menschen in Notlagen durch konkrete Maßnahmen. So wird unsere Politik im Alltag
greifbar und erlebbar – nicht als abstraktes Konzept, sondern als gelebte
Solidarität.
Mögliche Aktionen wären beispielsweise:
Infostände an Berufsschulen mit Fokus auf Ausbildung, Arbeitsbedingungen
Kreative Leerstandsmappings – z. B. mit QR-Codes oder Projektionsaktionen
Haustürgespräche in Azubiwohnheimen
Hausaufgabenhilfe und Sprachhilfe
Nachtinfostände und Nachtwahlkampf (anderer Begriff pls)
Der vorpolitische Raum spielt eine wichtige Rolle, um junge Menschen möglichst
niedrigschwellig anzusprechen. Beispiele für Aktionen vorpolitischer Arbeit wären:
offene Frauen/FLINTA-Treffen
offene Treffen für queere Menschen
Angebote für Menschen mit Behinderung
Stadtteilfeste
Spieleabende
Kneipenabende
Der Landesverband wird eine Vernetzung und eine Wissenssammlung zu solidarischer
Praxis und zu Aktionen im vorpolitischen Raum zum Austausch von best practices
organisieren.
Tarifrunden: Solidarität darf nicht symbolisch bleiben
2025 stehen Tarifverhandlungen bei den Ländern (TV-L) an. Als Linksjugend dürfen wir
dabei nicht abseitsstehen. In jeder Region, in der gestreikt wird, sollten unsere
Basisgruppen vor Ort sichtbar sein: Mit Kaffee, Snacks, Transparenten, Gesprächen.
Wer Politik für Arbeiter:innen machen will, muss Teil jener sein, die für bessere
Löhne kämpfen: Klassenverankerung darf keine bloße Phrase bleiben. Besonders wichtig
ist es, auch hier die jungen Kolleg:innen gezielt anzusprechen und ihre Forderungen
und Bedürfnisse in den Tarifverhandlungen zu unterstützen. Als Jugendverband ist es
unsere Aufgabe auf das junge Proletariat zuzugehen.
Als Sozialist:innen müssen wir Solidarität zur politischen Praxis machen und
unbedingt an der Seite jener stehen, die für bessere Löhne kämpfen. Die Landesebene
stellt dazu Material bereit.
Nächster Halt: Kommunalwahl 2026
Die Kommunalpolitik ist ein zentrales, aber oft unterschätztes Handlungsfeld für
Sozialist:innen, da hier die Lebensrealitäten der Menschen vor Ort gestaltet werden.
Entscheidungen über Mieten, Löhne, Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen
betreffen den Alltag der Menschen unmittelbar, wodurch Klassenpolitik schon auf
kommunaler Ebene gestaltet werden kann. Kommunen sind daher mehr als nur
Verwaltungseinheiten, sondern Orte, an denen soziale Gerechtigkeit konkret
verwirklicht werden kann. Daher ist es unsere Aufgabe, hier für bessere
Lebensbedingungen zu kämpfen und die Interessen der arbeitenden Bevölkerung zu
vertreten.
Die Bevölkerung in Städten und auf dem Land hat mit unterschiedlichen
Herausforderungen zu kämpfen, die sich aber dennoch zu großen Teilen überlappen.
Wir unterstützen die kommunalpolitischen Eckpunkte der Linken Bayernii, aber wollen
als Jugend einen Fokus auf folgende Themen setzen:
Gute Löhne! Vor allem, wenn der Arbeitgeber die Stadt ist!
Strikte Einhaltung von Tarifverträgen bei allen kommunalen Aufträgen und in
öffentlichen Betrieben, insbesondere durch Vergabe- und Tariftreuesatzungen.
Einführung eines kommunalen Mindestlohns von 60% des Medianlohns vor Ort,
mindestens aber 15 Euro pro Stunde
Recht auf Stadt bleibt für urbane Räume das zentrale Leitmotiv:
Wohnkrise beenden: Mieten runter!
Wohnkonzerne enteignen!
Leerstand erfassen und öffnen!
AirBnB und Co. den Kampf ansagen: Zweckentfremdung nicht nur verbieten,
sondern diese Verbote auch durchsetzen!
Ausbau und Erhalt von Kulturangeboten wie (selbstverwalteten) Kulturzentren
Begrenzung von Flächenversiegelung – für eine grüne, hitzeresistente Stadt ÖPNV und Radverkehr vor Auto: Wir wollen autofreie Innenstädte!
Unterstützung von solidarischen Nachbarschaftsprojekten (zB
Reparaturwerkstätten, Küfas etc.)
Ländliche Räume brauchen hingegen eigene Antworten:
Mieten runter, Wohnkonzerne enteignen, Leerstand öffnen – auch im ländlichen
Raum, wenn dort die Mieten ins unermessliche steigen!
Mobilität als Grundrecht denken Buslinien zurückbringen
Stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren
Verkehrstakte erhöhen
Vergünstigter Zugang zu Car-Sharing
Ausbau von baulich getrennten, asphaltierten Fahrradwegen
Jugendräume auf dem Land stärken
Stadtplanung ist für uns eine Klassenfrage – und deshalb ein Schwerpunkt. Wer heute
35 % vom Gehalt für Miete zahlt, hat keine Freiheit. Wer keine Bahn mehr hat,
verliert politische und gesellschaftliche Teilhabe.
Wir wollen bei dieser Wahl in großen Städten Stadträte stellen, in ausgewählten
Landkreisen und Mittelstädten starke Kandidierende supporten und U35-Genoss:innen
gezielt fördern.
Dazu wird der Landesverband:
Einen Leitfaden für kommunale Mandate speziell für junge Menschen erstellen
Workshops zur Mandatsvorbereitung organisieren
einfach verwendbare Social-Media-Vorlagen für alle Kandidierenden zur Verfügung
stellen
Instragram-Collabs mit dem Landesverband zur Sichtbarkeit junger linker
Kandidierender analog zur Landtags und Bundestagswahl fördern
Im Dezember und Januar eine Basistour mit einem Planungsworkshop analog zur
Bundestagswahl durchführen
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns.
Berthold Brecht, Lob der Dialektik (1934)
Vor uns liegen große Herausforderungen, die wir in den kommenden Monaten und Jahren
gemeinsam angehen müssen. Doch wenn wir uns auf ein klares langfristiges Ziel
konzentrieren – den Aufbau einer sozialistischen Massenbewegung – und einen klaren
Weg einschlagen – den Aufbau dieser Bewegung vor Ort –, können wir Großes erreichen.
Indem wir unsere Neigung zur Selbstbeschäftigung überwinden und zusammenarbeiten,
können wir diese Herausforderungen meistern und etwas Bedeutendes und Bleibendes
schaffen.
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