Leitantrag der LMV 07/2025 in Nürnberg


Wir leben in einer Zeit der Gleichzeitigkeiten. Einerseits scheint die
 Austeritätspolitik wieder in Mode zu kommen, doch legte sie ihr Technokratengewand
 zugunsten einer brachialen Kettensägeninszenierung ab. Andererseits hat die Partei
 Die Linke, obwohl jahrelang totgesagt, ein beachtliches Ergebnis bei der
 Bundestagswahl eingefahren, stellt wieder eine Fraktion und kann politische Erfolge,
 wie jüngst den gewonnenen Bürgerentscheid zum Wohnraumerhalt in Erlangen, einfahren.
 Das alles lässt erahnen, dass trotz eines Rechtsrucks nach wie vor großes Interesse
 an einer Alternative gegeben ist, die solidarisch ist und nicht nach unten tritt.
 Auch, wenn das alles ein starkes Fundament für eine mögliche sozialistische
 Massenbewegung ist, sollten wir uns darauf nicht ausruhen. Nach wie vor fehlt es der
 politischen Linken an Verankerung vor Ort und in den Betrieben. Nach wie vor
 verharren Teile der Linken in Selbstbeschäftigung, Szeneschranken und
 Stellvertreter:innenpolitik. Nach wie vor gibt es viel Handlungsbedarf, in Partei und
 Jugendverband, doch wir gehen diesen aktiv an.
 Die Linksjugend [’solid] Bayern hat letztes Jahr beschlossen, den Leitantrag der
 Linken Bayern zu unterstützen.i Der Fokus auf „Mieten runter, Löhne rauf!“ ist eine
 notwendige Zuspitzung – nicht nur als Slogan, sondern als politische Strategie, um
 wieder Massenpolitik zu machen: für die, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, für
 die, die für Niedriglohn Bus fahren oder in der Pflege schuften, für die, deren Löhne
 nicht mehr mit den Preisen mithalten.
 Doch klar ist auch: Wenn die Linke in Bayern wieder relevant werden will, muss sich
 nicht nur die Partei, sondern auch ihr Jugendverband neu ausrichten.
 Politische Bildung und Ermächtigung als Schlüssel zur
 Verbandsentwicklung

 Die Linksjugend [’solid] Bayern zählt mittlerweile fast 1000 aktive Mitglieder – mehr
 als die Hälfte aller Parteimitglieder in Bayern sind unter 35. Dieses Wachstum ist
 erfreulich, bringt aber Herausforderungen mit sich. In vielen Basisgruppen fehlen
 stabile Strukturen, klare Rollen und politische Klarheit.
 Unsere primäre Aufgabe für 2025 ist daher, die vielen neuen Genoss:innen einzubinden
 und zu befähigen, emanzipatorische politische Arbeit zu leisten, Strukturen
 aufzubauen und zu erhalten, sich an Debatten inner- und außerhalb des Verbands zu
 beteiligen und kritisch zu denken.
 Der Landesverband wird zusätzlich zu den Bildungsangeboten der Bundesebene das
 Bildungsangebot auf Landesebene ausbauen und seinen Basisgruppen Unterstützung bei
 der Durchführung eigener Schulungsformate anbieten. Dabei werden wir eine
 Fokussierung auf folgende Themen vornehmen, die für Sozialist:innen, vor allem heute,
 essenziell sind:
 Marxismus
 Kapitalismus- und Klassenkritik
 Materialistischer Feminismus und Skillshareveranstaltungen für Frauen und
 Nichtbinäre
 Materialistische Staatstheorie und -kritik
 Antimilitarismus mit besonderem Fokus auf die kommende Wehrpflicht und
 Kriegstüchtigkeit
 Um möglichst alle Genoss:innen da abholen zu können, wo sie gerade stehen, werden wir
 verschiedene Bildungsformate mit diversen Ansprüchen an Sprach- und Vorkenntnisse,
 die vorher kommuniziert werden, anbieten, denn weder dem Verband noch den
 Genoss:innen ist geholfen, wenn sie sich aufgrund bestehender Wissenshierarchien
 nicht an politischer Arbeit oder an Debatten beteiligen können.
 Alltagsverankerung: Solidarität in die Praxis bringen
 Unsere Politik darf nicht nur auf dem Wahlzettel stattfinden. Wir müssen erlebbar
 sein: auf der Straße, an der Schule, am Wohnheim, im Betrieb, im vorpolitischen Raum.
 Deshalb bauen wir unsere solidarische Praxis an der Basis aus und engagieren uns
 direkt vor Ort und schaffen dort Räume für Begegnung und Austausch.
 Unsere solidarische Praxis zeigt sich zudem in direkter Hilfe. Wir unterstützen
 Menschen in Notlagen durch konkrete Maßnahmen. So wird unsere Politik im Alltag
 greifbar und erlebbar – nicht als abstraktes Konzept, sondern als gelebte
 Solidarität.
 Mögliche Aktionen wären beispielsweise:
 Infostände an Berufsschulen mit Fokus auf Ausbildung, Arbeitsbedingungen
 Kreative Leerstandsmappings – z. B. mit QR-Codes oder Projektionsaktionen
 Haustürgespräche in Azubiwohnheimen
 Hausaufgabenhilfe und Sprachhilfe
 Nachtinfostände und Nachtwahlkampf (anderer Begriff pls)
 Der vorpolitische Raum spielt eine wichtige Rolle, um junge Menschen möglichst
 niedrigschwellig anzusprechen. Beispiele für Aktionen vorpolitischer Arbeit wären:
 offene Frauen/FLINTA-Treffen
 offene Treffen für queere Menschen
 Angebote für Menschen mit Behinderung
 Stadtteilfeste
 Spieleabende
 Kneipenabende
 Der Landesverband wird eine Vernetzung und eine Wissenssammlung zu solidarischer
 Praxis und zu Aktionen im vorpolitischen Raum zum Austausch von best practices
 organisieren.
 Tarifrunden: Solidarität darf nicht symbolisch bleiben
 2025 stehen Tarifverhandlungen bei den Ländern (TV-L) an. Als Linksjugend dürfen wir
 dabei nicht abseitsstehen. In jeder Region, in der gestreikt wird, sollten unsere
 Basisgruppen vor Ort sichtbar sein: Mit Kaffee, Snacks, Transparenten, Gesprächen.
 Wer Politik für Arbeiter:innen machen will, muss Teil jener sein, die für bessere
 Löhne kämpfen: Klassenverankerung darf keine bloße Phrase bleiben. Besonders wichtig
 ist es, auch hier die jungen Kolleg:innen gezielt anzusprechen und ihre Forderungen
 und Bedürfnisse in den Tarifverhandlungen zu unterstützen. Als Jugendverband ist es
 unsere Aufgabe auf das junge Proletariat zuzugehen.
 Als Sozialist:innen müssen wir Solidarität zur politischen Praxis machen und
 unbedingt an der Seite jener stehen, die für bessere Löhne kämpfen. Die Landesebene
 stellt dazu Material bereit.
 Nächster Halt: Kommunalwahl 2026
 Die Kommunalpolitik ist ein zentrales, aber oft unterschätztes Handlungsfeld für
 Sozialist:innen, da hier die Lebensrealitäten der Menschen vor Ort gestaltet werden.
 Entscheidungen über Mieten, Löhne, Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen
 betreffen den Alltag der Menschen unmittelbar, wodurch Klassenpolitik schon auf
 kommunaler Ebene gestaltet werden kann. Kommunen sind daher mehr als nur
 Verwaltungseinheiten, sondern Orte, an denen soziale Gerechtigkeit konkret
 verwirklicht werden kann. Daher ist es unsere Aufgabe, hier für bessere
 Lebensbedingungen zu kämpfen und die Interessen der arbeitenden Bevölkerung zu
 vertreten.
 Die Bevölkerung in Städten und auf dem Land hat mit unterschiedlichen
 Herausforderungen zu kämpfen, die sich aber dennoch zu großen Teilen überlappen.
 Wir unterstützen die kommunalpolitischen Eckpunkte der Linken Bayernii, aber wollen
 als Jugend einen Fokus auf folgende Themen setzen:
 Gute Löhne! Vor allem, wenn der Arbeitgeber die Stadt ist!
 Strikte Einhaltung von Tarifverträgen bei allen kommunalen Aufträgen und in
 öffentlichen Betrieben, insbesondere durch Vergabe- und Tariftreuesatzungen.
 Einführung eines kommunalen Mindestlohns von 60% des Medianlohns vor Ort,
 mindestens aber 15 Euro pro Stunde
 Recht auf Stadt bleibt für urbane Räume das zentrale Leitmotiv:
 Wohnkrise beenden: Mieten runter!
 Wohnkonzerne enteignen!
 Leerstand erfassen und öffnen!
 AirBnB und Co. den Kampf ansagen: Zweckentfremdung nicht nur verbieten,
 sondern diese Verbote auch durchsetzen!
 Ausbau und Erhalt von Kulturangeboten wie (selbstverwalteten) Kulturzentren
 Begrenzung von Flächenversiegelung – für eine grüne, hitzeresistente Stadt ÖPNV und Radverkehr vor Auto: Wir wollen autofreie Innenstädte!
 Unterstützung von solidarischen Nachbarschaftsprojekten (zB
 Reparaturwerkstätten, Küfas etc.)
 Ländliche Räume brauchen hingegen eigene Antworten:
 Mieten runter, Wohnkonzerne enteignen, Leerstand öffnen – auch im ländlichen
 Raum, wenn dort die Mieten ins unermessliche steigen!
 Mobilität als Grundrecht denken Buslinien zurückbringen
 Stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren
 Verkehrstakte erhöhen
 Vergünstigter Zugang zu Car-Sharing
 Ausbau von baulich getrennten, asphaltierten Fahrradwegen
 Jugendräume auf dem Land stärken
 Stadtplanung ist für uns eine Klassenfrage – und deshalb ein Schwerpunkt. Wer heute
 35 % vom Gehalt für Miete zahlt, hat keine Freiheit. Wer keine Bahn mehr hat,
 verliert politische und gesellschaftliche Teilhabe.
 Wir wollen bei dieser Wahl in großen Städten Stadträte stellen, in ausgewählten
 Landkreisen und Mittelstädten starke Kandidierende supporten und U35-Genoss:innen
 gezielt fördern
.
 Dazu wird der Landesverband:
 Einen Leitfaden für kommunale Mandate speziell für junge Menschen erstellen
 Workshops zur Mandatsvorbereitung organisieren
 einfach verwendbare Social-Media-Vorlagen für alle Kandidierenden zur Verfügung
 stellen
 Instragram-Collabs mit dem Landesverband zur Sichtbarkeit junger linker
 Kandidierender analog zur Landtags und Bundestagswahl fördern
 Im Dezember und Januar eine Basistour mit einem Planungsworkshop analog zur
 Bundestagswahl durchführen
 
 An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
 An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns.

 Berthold Brecht, Lob der Dialektik (1934)
 Vor uns liegen große Herausforderungen, die wir in den kommenden Monaten und Jahren
 gemeinsam angehen müssen. Doch wenn wir uns auf ein klares langfristiges Ziel
 konzentrieren – den Aufbau einer sozialistischen Massenbewegung – und einen klaren
 Weg einschlagen – den Aufbau dieser Bewegung vor Ort –, können wir Großes erreichen.
 Indem wir unsere Neigung zur Selbstbeschäftigung überwinden und zusammenarbeiten,
 können wir diese Herausforderungen meistern und etwas Bedeutendes und Bleibendes
 schaffen.

Link zum original Text:

Hier klicken